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08 Mai 2009

Wie Jochum das Digitale teuer rechnet

Inzwischen habe ich mir mal die Mühe gemacht, Jochums "Katzengold. Eine Kritik der Nationallizenzen"-Artikel (pdf) zu lesen. Der schwirrt ja auf den Textkritik-Seiten herum und gilt denen als "Nachrechnen" der Kosten des Digitalen, sei's nun Open Access oder nicht. Die Argumentation spricht für sich, oder eher gegen sich. Jochum "prüft" 3 "Elemente, aus denen die Nationallizenzen ihren legitimatorischen Impetus beziehen: die Ökonomie, die Wissenschaftspolitik und die Kulturpolitik". Ein paar Anmerkungen zum Punkt Ökonomie, also da, wo man rechnen muss.

Jochum fährt erstmal die Kosten des wissenschaftlichen Bibliothekswesens auf: laut DBS für 2006 hätten die Wissenschaftlichen Bibliotheken 793 Mio Euro gekostet, davon seien 548 Mio Euro für Personal und Gebäude ausgegeben worden und die restlichen 245 Mio Euro für Medien (Jochum schreibt "Bücher und Medien", aber für mich sind Bücher auch Medien). Sieht nach viel aus?

Dem stellt Jochum die Kosten für's Digitale gegenüber. Weil er keine konkreten Zahlen hat, bemüht er sich, "plausibel abzuschätzen". Er meint, man müsste als Kostenfaktoren einbeziehen:
  1. die Kosten für die Datennetze auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene
  2. die hard- und softwarekosten, die von den Netzteilnehmern aufzubringen sind
  3. die Kosten für die Bereitstellung der Inhalte.
Also. Wie berechnet man die Kosten für die Datennetze? Jochum rechnet: Es gab laut DBS 248 wissenschaftliche Bibliotheken in Deutschland, die wohl ebensovielen wissenschaftlichen Einrichtungen zugehören würden, die ihrerseits Rechenzentren unterhalten müssten, die die Kosten für die materielle Infrastruktur auch tragen. Diese Rechenzentren hätten, plausibel geschätzt, 30 Mitarbeiter, und 1 Mitarbeiter sei, plausibel geschätzt, 40.000 € wert. Das gäbe Personalkosten von 1,2 Mio Euro pro Rechenzentrum; und da Gesamtkosten zu 2/3 Personalkosten sind, könnte man von Gesamtkosten von 1,8 Mio € ausgehen, pro Jahr pro Rechenzentrum. Bei 248 Rechenzentren also Kosten von 446,4 Mio €.
Über die Zahlen will ich nicht rechten, obwohl sie großzügig bemessen sind: Jochum tut so, als seien 30 Mitarbeiter gering geschätzt, da Konstanz als kleine Uni 25 Mitarbeiter im Rechenzentrum habe, Köln als größte aber 55. Aber wieviele von den 248 Institutionen sind wohl überhaupt so groß wie die Uni Konstanz? Fachhochschulen, PHs, Regionalbibliotheken ... Lassen wir das.
Mich interessiert doch, warum Jochum die von ihm geschätzten Gesamtkosten der IT-Infrastruktur hier berechnet, wenn es um die Nationallizenzen geht. Er tut dasselbe bei den Hardwarekosten (Punkt 2) oben: Er schätzt, dass es 100.000 Wissenschaftler und 100.000 sonstige Rechnerbenutzer (Sekretärinnen etc.) gibt in den Institutionen, deren Rechnerausstattung mit 700,- € angesetzt wird, die daher zusammen 14 Mio € kosten würden, wenn man die Rechner alle 5 Jahre ersetzt. Soll man wirklich die Arbeitsplatzrechner so anrechnen, als würden sie ausschließlich zum Servern im Web und zur Lektüre der neuesten wissenschaftlichen Texte verwendet?
Am besten finde ich noch Jochums 3. Punkt: die Kosten für die Inhalte. Was die DFG ausgegeben hat (für die Nationallizenzen), das ist ja nur die Spitze des Eisbergs, sagt Jochum. Die TIB habe 1990 mal schätzen lassen, was die Digitalisierung ihres Bestandes kosten würde, und kam da auf 330 bis 530 Mio DM, und 13 bis 33 Mio DM jährliche laufende Kosten. Wie rechnet Jochum diese Zahlen ins Jahr 2009 hoch, um herauszubekommen, was die Digitalisierung aller konventionellen Medien aller deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken heute kosten würde? Er rechnet die Inflation nicht rein und verzichtet dafür darauf, Rabatte und Synergieeffekte durch die größere Menge rauszurechnen. Er vermerkt, dass für eine Berechnung natürlich nur jedes Werk einmal digitalisiert werden müsste, nicht jedes Exemplar in jeder Bibliothek. Und kommt dann auf eine oberste Kostengrenze der Digitalisierung von 40 Mrd. €, wenn man das billigste Angebot (von 1990) zur Berechnung heranziehe.
So, er berücksichtigt also die Inflation nicht. Das muss der Leser wohl als Zugeständnis betrachten. Hat er berücksichtigt, dass die Preise gefallen sind seit 1990? Nein, hat er nicht.
Hat er berücksichtigt, dass diese 40 Mrd.-Summe, wenn sie stimmen würde, eine Einmalaufwendung wäre? Nein, hat er nicht. Wo er sonst Wert darauf legt zu trennen zwischen Anschaffung und laufenden Kosten. Und hat er die in Beziehung gesetzt zu den Kosten für die Medien überhaupt? Oder sagen wir, dass Digitalisierung doppelt teuer ist, weil man ja erstmal das konventionelle Medium erwerben musste?
Und hat er die Kosten in Beziehung gesetzt zum damit möglichen Fortschritt in der Forschung (Geschwindigkeit, neue Anwendungen), der auch etwas wert ist? Nein, hat er nicht. Das einzige, was er getan hat, ist ein paar Zahlen zu schätzen, als Rohmaterial in einem Fall mit eklatant veralteten Zahlen (konnte man ihm in Konstanz keine neueren geben?), deren Plausibilität zu postulieren und dann so zu tun, als hätte die Zahl was mit seiner Frage zu tun.

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